Wie passiv ist passives Einkommen wirklich?

Im Internet wird gern mit dem Schlagwort vom „passiven Einkommen“ hausieren gegangen. Klingt ja auch gut. Nämlich nach Einkommen ohne Arbeit. Sieht man sich die entsprechenden Webseiten dann genauer an, stellt man schnell fest, dass es damit nicht weit her ist. Oder anders gesagt: Liebe Buchautoren, Programmierer, Fotografen und Musiker, Ihr arbeitet eigentlich gar nicht! Nämlich nur passiv. Und verdient damit wie Onkel Dagobert.

Dass das nicht ganz stimmen kann, sieht man schon daran, dass abgesehen von den Programmierern die obige Liste recht prekäre Berufe enthält. Weder Buchautoren noch Fotografen oder gar Musiker sind dafür bekannt, übermäßig gut zu verdienen. Üblicherweise kommt an dieser Stelle der Einwand, dass man mit diesen Tätigkeiten durchaus sehr viel Geld verdienen kann, wenn man gut ist und es richtig anstellt. Stimmt schon. Du musst nur Bücher schreiben wie Joanne Rowling, Fotos schießen wie Andreas Gursky oder Musik machen wie John Lennon. Schon rollt der Rubel. War doch gar nicht so schwer, oder?

Bei den Programmierern frage ich mich ja immer, warum diese (immerhin hoch bezahlt) überhaupt noch arbeiten. Die meisten tun (und müssen) es aber. Die Anzahl derer, die mit einer einzelnen App reich geworden sind, lässt sich an einer Hand abzählen. Oder jedenfalls sind es sehr wenige.

Was ist passives Einkommen eigentlich?

Sieht man sich eine Liste wie die „30 seriöse Möglichkeiten für passives Einkommen“ auf junge-gruender.de an, fällt als erstes die Definition von „passives Einkommen“ ins Auge: Zunächst wird das passive Einkommen als Gegenentwurf zum aktiven Einkommen bezeichnet. Letzteres wird recht verschwurbelt erklärt als „Sie investieren ihre Arbeitsleistung als Angestellter oder Selbstständiger in Produkte oder Dienstleistungen und erhalten proportional zum Aufwand eine finanzielle Gegenleistung.“ Also Zeit gegen Geld.

Der Gegenentwurf dazu wäre meines Erachtens „Geld ohne Zeiteinsatz“, aber weit gefehlt. Immerhin klärt uns junge-gruender.de auf:

Es ist schlichtweg falsch, zu glauben, dass das Geld einfach so vom Himmel fällt. Wenn du eine passive Einnahmequelle etablieren möchtest, musst du erst einmal viel Zeit und manchmal auch Geld in das entsprechende Projekt investieren.

Schade. Sieht man sich die folgende Liste der 30 Möglichkeiten an, so lässt sich diese wie folgt clustern:

  1. Zeit gegen Geld, nur schöner: Mir kommt es manchmal vor, als sei „passives Einkommen“ ein anderes Wort für „bessere Jobs“. Klar, wer aktuell als Paketfahrer, Pizzabote, Uber-Driver arbeitet oder vielleicht sogar arbeitslos ist, für den mag eine Karriere als Affiliate-Marketer, Online-Händler oder Blogger attraktiv sein. Sowohl Einkommen als auch Selbstverwirklichung gehen in diesen Berufen deutlich besser. Weniger Arbeit oder Zeiteinsatz sind dort aber nicht zu erwarten, sondern tendenziell mehr. Wer’s nicht glaubt, frage einfach mal einen Blogger, der von seiner Tätigkeit wirklich leben kann, nach dessen Arbeitsstunden. Wer aber seinen derzeitigen Beruf mag und dort gut Geld verdient, für den gibt es eigentlich keinen Grund, umzuschulen.
  2. Dienstleistungen zum Produkt machen: Eine zweite Kategorie zielt auf die Skalierbarkeit vieler Tätigkeiten ab. Wer beispielsweise als Musiklehrer Online-Kurse und Webinare statt Präsenzunterricht anbietet, kann mit seiner Tätigkeit mehr verdienen als zuvor. Allerdings muss er dann auch die Klaviatur des Online-Marketings beherrschen. Ein bisschen Umschulen und viel Zeit gegen Geld ist also auch hier noch dabei.
  3. Geldanlage: Bei der Vermietung von Immobilien, Peer-To-Peer-Kreditvergabe und teilweise auch beim Aktienhandel geht es dann schon eher in die Richtung „passives Einkommen“. Ganz ohne Zeitaufwand ist es aber auch hier nicht getan, z.B. müssen Mieter und Kreditnehmer geprüft werden und in so einer Immobilie geht auch immer mal wieder etwas etwas kaputt.

Fazit

Beim „passiven Einkommen“ wird im Internet gerne alles Mögliche über einen Kamm geschoren, was nicht zusammen gehört. Bevor man nun wie wild anfängt, in diese oder jene Richtung zu lesen oder gar teure Online-Kurse zu kaufen, sollte man sich konkret überlegen, in welcher Situation man sich befindet:

  1. Geht es darum, den Job zu wechseln, um mehr zu verdienen und mehr Lebensqualität zu haben? Dann muss man sich nicht zusätzlich auch noch in das Abenteuer Selbständigkeit werfen, sondern bewirbt sich am besten gezielt auf die nächste Stufe im erlernten Beruf. Die richtige Frage ist: Was muss ich dazulernen, um in meinem Beruf befördert zu werden oder um eine bestimmte andere Stelle zu bekommen.
  2. Geht es als Selbstständiger darum, ein skalierbares Produkt zu entwickeln? Dann fokussiert man sich inhaltlich am besten auf das, was man schon kann. Dazu kommt natürlich die „Produktisierung“.
  3. Wenn man bereits genügend Geld hat oder verdient, sollte man überlegen, wie man dieses am besten anlegt (bzw. wie man weniger Steuern zahlt).

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